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Back to the roots – das Revival der Manufakturen #3

01. September 2023
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Es kommt nicht immer auf die Größe an … Gerade, wenn es um den Kauf hochwertig hergestellter Produkte geht, scheint das Motto „klein, aber fein“ zu gelten. Statt in anonymen großen Geschäften zu shoppen, bevorzugen viele Menschen die persönliche Beratung und die familiäre Atmosphäre in kleinen Manufakturen.

Ein Grund: Der Konsument möchte wissen, wo das Produkt herkommt und wie es hergestellt wurde. Auch Nachhaltigkeit und Regionalität spielen bei dieser Entwicklung eine große Rolle. 


luxuszeit hat mit drei jungen Inhabern von Manufakturen über die Vorteile und Herausforderungen gesprochen, die es mit sich bringt, sich wieder auf traditionelle Handwerke zu berufen und statt eines großen Profits die Leidenschaft für das Produkt in den Vordergrund zu stellen. Ging es in den ersten beiden Teilen der Serie um Brot und Gin, wird es jetzt so richtig süß …

von Julia Heyne



Andreas Muschler von der chocolaterie & pâtisserie Muschler:

„Die Liebe zum Produkt steht definitiv im Mittelpunkt!“

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Andreas Muschler serviert in seiner Manufaktur in Bayern kreative Schoko-Kreationen.


Schokolade macht glücklich – das reden wir uns nicht nur ein, um den Genuss zu rechtfertigen – das ist laut diverser Studien eine Tatsache. Also macht Andreas Muschler viele Menschen glücklich. Der 39-jährige Freisinger verwöhnt seit 2014 seine Kunden in der eigenen chocolaterie & pâtisserie mit exquisiten Törtchen, Pralinen, Macarons und Schokoladen. Der zweifache Familienvater stammt aus einer alteingesessenen Bäcker- und Konditorenfamilie in Freising und zaubert heute mit einem hochmotivierten Team kulinarische Kunstwerke in der kleinen gläsernen Manufaktur.


Muschler möchte seinen Kunden zeigen, wie viel Liebe in den Produkten steckt und wie lange es dauert, diese zu produzieren. Und die Mühe lohnt sich: Bei den „International Chocolate Awards“ haben die Pralinen und Schokoladentafeln aus dem Hause Muschler 46 Auszeichnungen in Gold, Silber und Bronze erhalten, davon 3 Mal Gold im Weltfinale. 


Mit luxuszeit hat der Chocolatier darüber gesprochen, warum er sich für eine eigene Manufaktur entschieden hat, anstatt ins Familienbusiness einzusteigen, wie er und sein Team die einzigartigen Rezepte kreieren und ob er selbst überhaupt noch Süßes essen mag.



luxuszeit: Lieber Andreas, lass uns doch gleich mal in deine Geschichte einsteigen. Warum hast du nicht einfach das alteingesessene Bäckerei-Unternehmen deiner Familie übernommen, sondern dich mit deiner chocolaterie & pâtisserie selbstständig gemacht? Das erste wäre doch wesentlich einfacher gewesen? Gerade in einer Kleinstadt wie Freising, wo jeder die Bäckerei Muschler kennt? 


Andreas Muschler: Ja, das stimmt. Mein Opa hat die Bäckerei & Konditorei Muschler bereits 1955 gegründet und meine Eltern haben sie in den 1980er Jahren stark vergrößert. Ich habe auch Bäcker und Konditor gelernt und die Meisterschule für das Konditorenhandwerk in München mit der Auszeichnung „Meisterpreis der Bayerischen Staatsregierung“ abgeschlossen. Mir hat das Backen und Arbeiten mit Teig immer großen Spaß gemacht, aber die Liebe zur Schokolade war einfach größer.


Ich habe mich also nicht gegen die Bäckerei, sondern viel mehr für die pâtisserie entschieden. Hätte ich beides gemacht, hätte beides gelitten. 


luxuszeit: Das klingt nicht gerade nach einer leichten Entscheidung? 


Andreas Muschler: Das war es auch nicht. Es mag vielleicht ein bisschen pathetisch klingen, aber ich bin meinem Herzen gefolgt, als ich 2014 meine Pâtisserie eröffnet habe.

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In der chocolaterie & pâtisserie Muschler kann man Kaffee trinken und dabei der Produktion von Süßwaren zusehen


luxuszeit: Warum ausgerechnet Schokolade? 


Andreas Muschler: Nach meinen ganzen Ausbildungen habe ich gemerkt, Bäcker ist ein wunderschöner Beruf, aber diese kleine, feine Detailarbeit in der Pâtisserie, dieses Knacken von Schokolade, die hauchdünn eine Praline umhüllt, das hat mich einfach mehr gereizt. Und dann kam der Gedanke hinzu, meine Rezepte nicht einfach nur in einem stillen Kämmerlein zu produzieren, sondern offen zu zeigen, wie sie entstehen. Ich möchte den Kunden ein Gefühl dafür vermitteln, wie lange das dauert, bis so ein Produkt fertig ist. 


luxuszeit: Deshalb die gläserne Manufaktur? 


Andreas Muschler: Ja, ich wollte eine französische chocolaterie & pâtisserie, ein kleines Café mit einer gläsernen Manufaktur. Einfach einen eigenen Betrieb mit einem eher überschaubaren Angebot, dafür in höchster Qualität. Bei uns gibt es Törtchen, Macarons, Pralinen und Schokolade. 


luxuszeit: Lass uns mal tiefer in die Produktion eintauchen. Wie entstehen eure Produkte, die man ja schon fast als kleine Kunstwerke bezeichnen kann? 


Andreas Muschler: Ich bin 2009 nach Paris gegangen und hatte dort die Chance, einige Monate beim Pâtissier Pierre Hermé – weltweit bekannt für seine Macarons – zu arbeiten. Und ich habe ein Volontariat in der Chocolaterie von Jean-Charles Rochoux gemacht. Daher bringe ich natürlich Erfahrung mit, mittlerweile entstehen unsere Produkte aber vor allem in der Zusammenarbeit mit meinem wirklich tollem Team, das richtig Ahnung von unserem Beruf hat.


luxuszeit: Ihr entwickelt eure Rezepte also gemeinsam stetig weiter? 


Andreas Muschler:  Klar haben wir auch heute noch ein paar Produkte aus der Anfangszeit, die Rezepte entwickeln sich aber dauernd weiter, wir verfeinern sie ständig. Es ist total interessant. In einem Moment denkst du „Wow, was für ein tolles Produkt“ und ein, zwei Jahre später probierst du einfach andere Herstellungsmethoden aus und es wird von Mal zu Mal besser. Es kommen auch neue Mitarbeiter, die wiederum eigene Ideen mitbringen.Es ist und bleibt ein spannender Prozess.

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Schön und lecker – die Törtchen sind echte Kunstwerke

luxuszeit: Woher nehmt ihr sonst noch eure Ideen? 


Andreas Muschler: Wir lassen uns natürlich auch von außen inspirieren. Von Kollegen, von Instagram, von Fachzeitschriften. Austausch beflügelt und macht richtig Spaß.


luxuszeit: Apropos Spaß, du sagst, dass es dir total wichtig ist, dass du und dein Team Spaß bei der Arbeit haben. Was ist dir sonst noch wichtig? Was sind deine Visionen für deine Manufaktur? 


Andreas Muschler: Ich persönlich lege aktuell den Fokus auf meine junge Familie. Ich möchte Zeit mit meinen Kindern verbringen und meinen Freundeskreis pflegen. Daher will ich mich mit der Manufaktur nicht vergrößern, auch wenn es diesbezüglich immer wieder Angebote gibt. Gleichzeitig bin ich selbstständig und der Betrieb muss weiterlaufen. Doch Quality time ist mir wichtiger, als das große Geld zu verdienen – und das möchte ich auch meinen Mitarbeitern ermöglichen. Mir ist es einfach wichtig, dass wir gleich ticken und uns gegenseitig ergänzen. 


luxuszeit: Funktioniert so etwas deiner Ansicht nach nur in einem kleinen Betrieb wie eurem? 


Andreas Muschler: Ich denke, Gründer, die ein altes Handwerk ausüben, haben dieses ja nicht nur von der Pike auf gelernt, sie stecken auch ihre ganze Leidenschaft in ihre Produkte. Je größer ein Unternehmen ist, umso mehr muss man managen, desto weiter entfernst du dich von der eigentlichen Produktion.


Klar, ich verbringe mittlerweile auch viel Zeit im Büro und der Schreibtisch wird gefühlt nicht leerer. Aber in einer Manufaktur kannst du diese Arbeit eben mit deiner Leidenschaft fürs Wesentliche ausgleichen und bist viel flexibler. Ich sehe einfach Vorteile im reinen Handwerk. Du arbeitest in kleineren Etappen und siehst am Ende das Produkt, in das du so viel Liebe gesteckt hast. Es geht zwar auch am nächsten Tag weiter, aber du hast eine Zwischenetappe – du siehst jederzeit, was du geschaffen hast. Das ist ein gutes Gefühl.

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Das Rezept für die Macarons wurde vom französischen Original etwas abgewandelt und kommt bei den Kunden sehr gut an


luxuszeit: Spielt auch bei dir Nachhaltigkeit eine Rolle? So, wie es bei Manufakturen üblich ist? 


Andreas Muschler: Absolut! Wir möchten richtig gute Produkte herstellen und wir wollen, dass auch das Drumherum funktioniert. Sprich: Wie kaufe ich ein, welches Verpackungsmaterial nutzen wir, wie sieht es mit unserem grünen Fußabdruck aus? 


Wir haben zwei Anbieter von Rohschokoladen. Denn wir haben nicht den Weg „von Bean to Bar“ eingeschlagen, sondern wir beziehen Rohschokolade. Dabei achten wir sehr darauf, wo die Rohstoffe herkommen. So kommt der Rohkakao beispielsweise aus Venezuela als Fair-Direct-Kakao, d.h. direkt von kleinen Bauernvereinigungen. Hier kommt das Geld auch direkt an. 


luxuszeit: Hättest du ein paar Tipps für junge Gründer, die sich vielleicht auch mit einer Manufaktur selbstständig machen wollen? 


Andreas Muschler: Ich kann da natürlich nur aus eigener Erfahrung berichten. Ich habe in der Stadt gegründet, in der ich aufgewachsen bin. So hatte ich den Vorteil, dass man hier den elterlichen Betrieb und somit auch meinen Namen kennt. Aber ich weiß auch genau, an wen ich mich wenden muss, wenn ich etwas brauche, z.B. Handwerker, Lieferanten, etc. 


Zudem ist es wichtig zu wissen, was hinter so einer Manufaktur alles steckt. Also nicht nur die Produktion und der Verkauf, sondern die gesamte Organisation mit Personalführung, Kosten, usw. Es braucht definitiv selbstständiges Durchhaltevermögen. Und man muss bereit sein, gewohnte Denkmuster und Strukturen immer wieder zu justieren und jederzeit offen für Neues sein. Ich selbst war beispielsweise zu meiner Zeit in Paris nicht überzeugt von Macarons. Also haben wir bei unseren Produkten Süße entnommen, die Konsistenz etwas verändert und heute gehören sie zu unseren Bestsellern. 


luxuszeit: Letzte Frage, isst du selbst privat eigentlich noch Süßes? 


Andreas Muschler: Klar. Ich esse allerdings keine industriellen Süßwaren mehr, aber ich probiere total gerne Produkte aus kleinen Unternehmen. Nur brauche ich zwischendurch auch definitiv mal etwas Salziges. 


luxuszeit: Vielen Dank für das spannende Gespräch, lieber Andreas!

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Lesen Sie hier die anderen Interviews unserer dreiteiligen Manufakturen-Serie:
Julius Brantner | Gründer | Julius Brantner Brothandwerk | Lifestyle | Magazin | luxuszeit.com

Folge 1


Kann Backen sexy sein? Die Antwort lautet definitiv „ja“!


Der Münchner Bäcker Julius Brantner verrät, was sein Brot so unwiderstehlich macht und warum er unbedingt eine gläserne Manufaktur eröffnen wollte.


Hier geht's zum Interview ›




Folge 2


Von der Werbefotografie zur Gin-Destillation?


Der Berliner Tim Müller erzählt im Gespräch mit luxuszeit, warum er und sein Partner beruflich einen ganz neuen Weg eingeschlagen haben.


Hier geht’s zum Interview ›

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