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Back to the roots – das Revival der Manufakturen #2

25. August 2023
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Qualität hat ihren Preis – das mag etwas abgedroschen klingen, ist aber wahr. Und wie es aussieht, wird auf diese Qualität ein immer größerer Wert gelegt, denn Manufakturen boomen. Viele Konsumenten wollen wissen, wo die Produkte herkommen und wie sie hergestellt wurden – und dabei spielen Nachhaltigkeit und Regionalität eine große Rolle. Ob Lebensmittel, Keramik, Textilien, Pflegeprodukte oder Schmuck: hochwertige Produkte, die in aufwändiger Handarbeit produziert wurden, werden immer gefragter. 


Vor allem junge Gründer scheinen sich auf alte Handwerksberufe zu besinnen und geben diesen mit eigenen Konzepten einen modernen Touch.


luxuszeit hat mit drei Inhabern von Manufakturen gesprochen, die uns verraten, worauf sie bei der Produktion ihrer Waren achten und warum sie sich für diesen Weg entschieden haben. Während sich im letzten Teil im Gespräch mit dem Münchner Bäcker Julius Brantner alles um richtig gutes Brot drehte, geht es im zweiten Teil etwas hochprozentiger zu …

von Julia Heyne



Tim Müller von der Deutschen Spirituosen Manufaktur (kurz DMS):

„Manufakturen produzieren ehrlichere Produkte!“

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Tim Müller arbeitete als internationaler Werbefotograf, hat sich aber mit Gin und Schnäpsen selbstständig gemacht


Wer im Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg oder im Berliner Ritz Carlton mit einem hauseignen Gin anstößt, genießt echte Berliner Handarbeit. 2018 haben der erfolgreiche Fotograf Tim Müller und der promovierte Apotheker Dr. Konrad Horn ihre gemeinsame Leidenschaft zum Beruf gemacht und die Deutsche Spirituosen Manufaktur gegründet. In ihrem Portfolio: Handgefertigte Brände und Geiste, Liköre und Gin – alles produziert aus 100 Prozent natürlichen und hochwertigen Rohstoffen.


Mit ihren Premium-Spirituosen beliefern sie erstklassige Restaurants, Concept Stores und 5-Sterne-Hotels. Neu im Sortiment sind Distilled Dry Gins wie Fresh Mint, Oriental Mocca oder Power Berry und – aus den ätherischen Ölen, die bei der Destillation gewonnen werden – Raumdüfte, Seifen und Cremes der Tochterfirma Dr. Horn Labs.


Uns verrät Tim Müller, warum seiner Ansicht nach immer mehr Menschen Geld in Manufakturen ausgeben und wie er von der Fotografie auf Gin und Schnaps gekommen ist. 



luxuszeit: Lieber Tim, bevor wir ganz allgemein über Manufakturen sprechen, lass uns zunächst mal einen Blick auf eure werfen: Warum Schnaps und Gin? 


Tim Müller: Mein Partner Konrad und ich haben vor einigen Jahren aus purer Neugier in Südafrika Kurse an einer Wein-Uni besucht. Vom Wein sind wir dann letztendlich auf den Brandy gekommen, vom Brandy auf die europäischen Geiste und Brände. Das Interesse an der Produktion war geweckt und ein paar Jahre später, 2016, haben wir Nägel mit Köpfen gemacht. 


luxuszeit: Eigentlich wart ihr zu der Zeit beruflich ja auf ganz anderen Wegen unterwegs, oder? 


Tim Müller: Ja, das kann man sagen. Ich habe international als Werbefotograf gearbeitet, Konrad als promovierter Apotheker. Aber 2016 hatten wir einfach beide Lust auf etwas Neues. Fotografie ist zwar schön und macht auch Spaß, das große Manko aber ist, man ist im Schnitt 200 Tage im Jahr unterwegs. Konrad wollte auch neu durchstarten, wir hatten das gemeinsame Südafrika-Erlebnis, sozusagen das verbindende Element, und dachten uns, warum machen wir nicht damit etwas? Brände und Geiste fanden wir sehr spannend, weil es ein angestaubtes Thema ist, das aber ein irrsinnig hohes Potenzial hat. 


luxuszeit: Ein echter Neuanfang! Wie ging es konkret weiter? 


Tim Müller: Da Konrad ja promovierter Apotheker ist, haben wir Versuchsreihen gestartet. 2017 haben wir den Entschluss gefasst, eine GmbH zu gründen. 2018 sind wir mit einem klassischen London Dry Gin und 70 Geisten und Bränden auf den Markt gegangen. Heute haben wir ein Team mit fünf festen und diversen freien Mitarbeitern, unsere Manufaktur in Berlin und noch einen Show Room in der Brunnenstraße in Berlin Mitte. Wir wollten von Anfang an den Markt durchmischen mit Produkten, die es so noch nicht gab. So was wie Herbstlaub oder Bergwiesenheu, einfach außergewöhnliche Geschmacksrichtungen. 

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Der promovierte Apotheker Konrad Horn entwickelt mit seinem Wissen über Pflanzen und ihre Inhaltsstoffe neue Rezepturen für Gin, Liköre, Brände und Geiste


luxuszeit: Lass uns da mal genauer drauf eingehen, wie kommt ihr auf so spezielle Geschmacksrichtungen wie Beelitzer Spargel oder Reichenauer Schlangengurke? 


Tim Müller: Die Grundidee der DSM war ja, das Thema Brände und Geiste ganz neu aufzurollen. Neben bekannten und etablierten Produkten wollten wir ganz neue, noch nie dagewesene Spirituosen kreieren.Das gelang - vor allem auch in dieser Vielfalt – durch verschiedene Faktoren: Erstens haben wir alle Denkverbote abgeschafft. Jede noch so verrückte Idee wurde in unser ausgeklügeltes Verfahren der Produktentwicklung gegeben. Beispielsweise, den Geruch eines Spaziergangs durch einen herbstlichen Wald in einem Destillat einzufangen. Herausgekommen ist unser Geist vom Herbstlaub, der herbstliche und erdige Noten mit den fruchtigen Noten eines sehr reifen Apfels in einem äußerst milden Destillat vereinigt. 


Zweitens sind Lieferanten mit Vorschlägen für außergewöhnliche Rohstoffe und Kunden mit ebensolchen Produktwünschen auf uns zugekommen. Die Vielfalt kam dann drittens mit der Erfahrung: Wenn man erst einmal weiß, wie eine bestimmt Rohstoffkategorie, wie z.B. Zitrusfrüchte, zu einem exzellenten Destillat verarbeitet wird, dann geht die Entwicklung eines weiteren Zitrusdestillats einfach schneller. 


luxuszeit: Wer entwickelt die Rezepturen, wie ist euer Team aufgestellt? 


Tim Müller: Konrad kümmert sich um die Rezepturen und um die Produktion, unterstützt wird er von unserem Destillateur Max, der auch schon seine Ausbildung bei uns gemacht hat. Dann gibt es Dorina, sie ist das Bindeglied zwischen allen Bereichen und kümmert sich um den Rohstoffeinkauf. Ich bin für die Zahlen verantwortlich, für das Marketing und die Ideenfindung und Tanja macht die Beratungen im Store.  


luxuszeit: Gefühlt ploppen aktuell im deutschen Raum immer mehr Manufakturen auf, die uns Kunden ein ganz besonderes Einkaufserlebnis bescheren. Wie erklärst du dir diesen Trend? 


Tim Müller: Ich denke, es ist der Manufaktur-Gedanke, der für diesen Erfolg sorgt und den finde ich prinzipiell richtig gut. Der Endverbraucher möchte mehr Transparenz, er möchte wissen, woher seine Produkte kommen. Das sieht man ja auch daran, dass Wochenmärkte und Hofläden immer beliebter werden, obwohl es dort teurer ist. Der Kunde kauft lieber weniger, dafür gute Qualität – und das ist der richtige Weg.


Ich hoffe einfach nur persönlich, dass es nicht so wie in anderen Bereichen eine Verwässerungstendenz und somit zu viele Trittbrettfahrer gibt, die das Wort Manufaktur marketingtechnisch ausschlachten, um billigen Schrott teuer zu verkaufen. Das verspielt das Vertrauen beim Verbraucher. 


luxuszeit: Wie setzt ihr euch mit der DSM nicht nur von den eben genannten Trittbrettfahrern, sondern vor allem auch von den großen Destillerien ab? 


Tim Müller: Unser klarer Vorteil ist das Manufaktur-versus-Industrie-Prinzip. Natürlich müssen wir auch wirtschaftlich denken, aber als Manufaktur hat man einfach andere Möglichkeiten als ein großes Industrieunternehmen, das rein umsatzgetrieben ist. Wir können bei der Produktentwicklung auch mal länger warten, bis die Qualität wirklich stimmt. Das Betriebswirtschaftliche rutscht dann ein bisschen nach hinten. Als kleines Unternehmen haben wir mehr Entscheidungsfreiheiten und können flexibler sein. 


luxuszeit: Also auf jeden Fall Manufaktur anstatt Industrieunternehmen? 


Tim Müller: In meinen Augen stellen Manufakturen die ehrlicheren Produkte her, weil sie meist wesentlich nachhaltiger produziert werden. Hinzu kommt, dass man sehr transparent arbeitet. Ein weiterer Vorteil ist, jeder im Team steht hinter den Produkten und keiner muss eine Marketinglüge erzählen. Ich persönlich finde, eine Manufaktur ist so etwas wie ein Aufklärer. 

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In der DSM kann man auch Kurse buchen und seinen eigenen Gin destillieren  


luxuszeit: Was gehört neben den individuellen Sorten noch zu euren Besonderheiten? 


Tim Müller: Unser USP ist neben der Einzigartigkeit der Produkte und Sorten auch, dass wir wirklich in Berlin produzieren. Viele, die sich das aufs Label schreiben, sind nur Vertriebs - und keine arbeitenden Produktions-Manufakturen. In Berlin gibt es de facto nur drei oder vier, die wirklich Alkohol produzieren und wenn du googelst, stößt du auf ca. 50 Unternehmen. Da muss man als Kunde gucken, produzieren die wirklich in Berlin? Am besten, man fährt mal vorbei oder checkt zumindest die Website ganz genau. 


luxuszeit: Nachhaltigkeit ist etwas, das eng mit den Begriff Manufaktur verbunden wird. Wie ist das bei euch? Woher bezieht ihr beispielsweise eure Rohstoffe? 


Tim Müller: Die Rohstoffe beziehen wir von überall her. Wir legen natürlich Wert auf Regionalität, also Spargel kommt bei uns aus Beelitz. Zitrusfrüchte beziehen wir wiederum aus Mallorca oder Sizilien. Unsere Rohstoffe sind entweder von Demeter, bio oder kommen von kleinen Familienbetrieben, die sich kein Bio-Siegel leisten können, wir aber genau wissen, dass dort nicht gespritzt wird. 


Auf Mallorca sind es z.B. Kleinstbetriebe mit nur 20 Bäumen, aber mit einer irrsinnig tollen Qualität. Wenn sich ein Bauer ein Siegel nicht leisten kann, habe ich ein größeres Interesse daran, diesen zu unterstützen, als nur auf das Siegel zu schauen. Und diese Bauern sind mir gegenüber am Ende auch wesentlich loyaler und davon profitieren wir wiederum. Unsere Blutorangen kommen beispielsweise aus Sizilien und in einem Jahr war die Ernte wegen starker Regenfälle verloren. Der Bauer hat uns dann an seinen Cousin verwiesen, der mit seinen Orangen ausgeholfen hat. Wir versuchen, uns gegenseitig zu unterstützen und langfristige Kooperationen aufzubauen.

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Wacholder ist neben weiteren Botanicals eine der wichtigsten Zutaten bei der Ginherstellung


luxuszeit: Gin spielt neben Schnäpsen und Bränden in eurem Portfolio eine bedeutende Rolle, oder? 


Tim Müller: Die DSM hat aktuell sieben Gins im Portfolio. Unser erster Gin ist ein klassischer London Dry Gin, der neben dem Wacholder als wichtigstem Botanical noch 36 weitere enthält. Die sechs neuen Gins sind ebenfalls destillierte Gins, die aber aus einzeln destillierten Rohstoffen zusammengestellt wurden. D.h. wir haben unser Destillat vom Wacholder z.B. für unseren Power Berry Distilled Dry Gin mit den Destillaten von der Korona Erdbeere, der Himbeererdbeere, der Himbeere und der Johannisbeere so geblendet, dass ein runder, absolut intensiv nach Beeren schmeckender Gin entstanden ist.


Allen unseren Gins sind keinerlei Zucker oder Industriearomen zugesetzt. Der Geschmack kommt ausschließlich aus den Rohstoffen.Übrigens, wer sich für Gin interessiert, kann in einem unserer Kurse seinen ganz eigenen herstellen. 


luxuszeit: Namhafte Restaurants und Hotels zählen auch zu euren Kunden – das spricht für die Qualität – kannst du uns verraten, an wen Ihr liefert? 


Tim Müller: Zu den Restaurants, die wir mit unseren Produkten beliefern, gehören u.a. das Zwei-Sterne-Restaurant Coda in Berlin, in München der Käfer, in Hamburg das Mutterland, oder in Frankfurt der Conceptstore Oheim. Erfreulich ist, dass seit einiger Zeit immer mehr 5-Sterne-Hotels auf uns zukommen, die ihren hauseigenen Gin möchten. In Hamburg ist das z.B. das Vier Jahreszeiten, in Berlin das Hilton und das Ritz Carlton.


Wir erstellen nach einem Gespräch individuelle Geschmacksmuster, aus denen der Kunde dann wählen kann. Bisher kommen die immer gut an und jeder Auftraggeber wurde fündig. 


luxuszeit: Welche eurer Spirituosen ist dein Lieblings-Drink? 


Tim Müller: Das kommt bei mir tatsächlich auf die Jahreszeit an. Im Sommer mag ich unseren klassischen Gin sehr gerne in einem Negroni. Wenn’s kälter wird, ist Herbstlaub ein schönes Produkt, weil mich sein Geschmack nach wie vor überrascht. 


luxuszeit: Danke für das Gespräch, lieber Tim!


Im dritten Teil wird es richtig süß, denn ein Chocolatier nimmt uns mit in die Welt der kleinen kulinarischen Kunstwerke ...

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