luxuszeit magazin

zeit für ... Lifestyle

Back to the roots – das Revival der Manufakturen #1

17. August 2023
nach links
Manufakturen | Handwerk | Gründer | Sauerteig | Lifestyle | Magazin | luxuszeit.com
nach rechts

Manufakturen stehen für Besinnung auf traditionelles Handwerk und Werte, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. War die Manufaktur im 18. Jahrhundert noch der Prototyp der industriellen Warenproduktion, so verbergen sich hinter dem Begriff heute Exklusivität, hochwertige Produkte und häufig ein transparenter Produktionsprozess. Unter Manufaktur versteht man im weitesten Sinne einen organisierten Betrieb mit mehreren Mitarbeitern, der die gesamte Herstellung verantwortet – von der Idee über den Bezug der Rohstoffe bis hin zur Produktion. 


Und das scheint Trend zu werden. Es gibt zwar keine genauen Zahlen, wie viele Manufakturen es aktuell in Deutschland gibt, aber es werden immer mehr. Auffällig: Viele junge Menschen machen sich mit alten Handwerksberufen selbstständig und verleihen ihnen einen individuellen, modernen Touch. Und das kommt an bei den Konsumenten!



luxuszeit hat mit drei jungen Inhabern von Manufakturen gesprochen, die uns verraten, worauf sie bei der Produktion ihrer Produkte achten und warum sie sich für diesen Weg entschieden haben. Wir starten mit Julius Brantner, der das klassische Bäckerhandwerk wieder sexy macht.

von Julia Heyne



Julius Brantner: „Brotteig ist wie Wein, auch er muss reifen!“

Julius Brantner | Bäckerei | Manufaktur | Lifestyle | Brotbacken | Magazin | luxuszeit.com

Gemeinsam mit seinem Team macht Bäcker Julius Brantner viele Foodies glücklich

Richtig gutes Brot braucht Zeit, der Teig muss ruhen, damit das Produkt später länger frisch bleibt. Oder wie der Schwarzwälder Bäcker Julius Brantner es etwas poetischer ausdrückt: „Wenn Mehl und Wasser lange Zeit haben, sich kennenzulernen, bleiben sie später auch länger zusammen.“


Der 31-Jährige hat als Sprössling einer Bäckersfamilie das Handwerk von der Pike auf gelernt und verwöhnt nun in seinen zwei Münchner Backstuben anspruchsvolle Foodies mit Brot, Semmeln, Schwäbischen Brezln und Gebäck in bester Bio-Qualität. Wer seine Bäckereien betritt, stutzt zunächst. Ist das hier wirklich eine Bio-Backstube und nicht ein hipper Shop oder ein angesagtes Café? Regionalität, Nachhaltigkeit und Geschmack – Brantners Konzept überzeugt nicht nur sehr viele Brot-Liebhaber, sondern auch seinen Vater, der heute noch eine traditionelle Bäckerei in einem kleinen Schwarzwälder Dorf hat. 




luxuszeit: Julius, bevor wir über Manufakturen sprechen, verrate uns doch gleich mal dein Geheimnis: Was macht dein Brot so gut?


Julius Brantner: Das Geheimnis liegt im Sauerteig – der ruht bei uns 24 Stunden. Dann wird ein Teil davon zu den anderen Brotteigen hinzugefügt. Diese ruhen dann noch mal 24 bis 48 Stunden. In der Industrie wird sehr viel Geld darauf verwendet, diese Zeit zu verkürzen, aber du kannst die Natur nicht austricksen. Wir geben unserem Brot Zeit und das macht es so gut. Und es ist locker vier bis fünf Tage haltbar.


luxuszeit: Du vergleichst die Herstellung von Brot mit Wein. Erkläre uns das mal ein bisschen genauer.


Julius Brantner: Wenn du mit der Natur arbeitest und dem Ganzen Zeit gibst, bekommst du am Ende ein gesünderes, bekömmlicheres, frischeres Brot. Beim Wein versteht das jeder. Es gibt Menschen, die geben Unmengen Geld für einen alten Wein aus. Beim Brot verstehen es die Leute nur langsam, aber auch Brotteig muss reifen.

Julius Brantner | Bäckerei | Manufaktur | Magazin | Brot | luxuszeit.com

Regionalität steht für Julius Brantner an oberster Stelle



luxuszeit: Kostet dein aufwändig hergestelltes Brot dann auch richtig viel Geld?

 

Julius Brantner: Wenn du die Münchner Brotpreise vergleichst, dann liegen wir im Mittelfeld. Ich würde mir schwertun, ein Kilo Brot für zehn Euro zu verkaufen. Brot soll kein Luxusprodukt werden, jeder soll täglich gutes Brot essen können. Aber natürlich ist es mir auch wichtig, meine Mitarbeiter fair bezahlen zu können. Und ich führe keine Preisverhandlungen über die Rohstoffe, die wir aus immer derselben Mühle beziehen. Ich möchte den Preis in der Lieferkette nicht drücken, denn die Landwirte müssen fair verdienen, um etwas Gutes aufbauen zu können.

 

luxuszeit: Qualität hat ihren Preis – das gehört zum Wesen der Manufakturen, von denen es mittlerweile wieder richtig viele gibt. Wie bist du dazu gekommen, ein derart traditionelles Handwerk wie Brotbacken auszuüben? 


Julius Brantner: Zunächst einmal komme ich aus einer Bäckereifamilie aus dem Schwarzwald. Mein Opa hatte eine Bäckerei, mein Papa führt heute noch eine und ich bin in ihre Fußstapfen getreten. Allerdings bin ich nach meiner Ausbildung erst einmal für Work & Travel nach Australien. Dort habe ich so viele coole Konzepte von Backstuben und Cafés gesehen, das war völlig neu für mich. Was den Style angeht, sind Australien und die USA uns um Lichtjahre voraus. Allerdings war die Qualität dort einfach nicht gut. Und das brachte mich auf eine Idee… 


luxuszeit: Die da wäre? 


Julius Brantner: Ich wollte damals nicht mehr in irgendeiner Bäckerei in Deutschland arbeiten. Komplett auswandern wollte ich aber auch nicht. Also beschloss ich, meinen eigenen Laden aufzumachen – und zwar exakt so wie es mir persönlich gefällt. Stylische Backstube und super Qualität. 2019 war es dann soweit und ich habe meine erste Bäckerei in München Schwabing eröffnet.

Julius Brantner | Bäckerei | Manufaktur | Magazin | Laden Kreuzstraße München | luxuszeit.com

Brantner beweist, dass auch Bäckereien richtig stylisch sein können



luxuszeit: Es wurde eine gläserne Manufaktur, die durch ihr cooles Interieur auffällt. Warum hast du dich dafür entschieden?


Julius Brantner: Einen ästhetischen Laden wollte ich schon alleine deshalb, weil ich selbst jeden Tag viel Zeit dort verbringe. Und ich wollte Transparenz. Mir war wichtig, dass wir zu 100 Prozent biozertifiziert und qualitativ absolut hochwertig sind und das sollen unsere Kunden auch sehen. Es kommt schon mal vor, dass jemand eine Dreiviertelstunde vor der Glasscheibe unseres Ladens in der Nordendstraße und sieht uns bei der Arbeit zu. 


luxuszeit: Was sind die größten Herausforderungen? 


Julius Brantner: Was das Produkt betrifft, auf jeden Fall, dass ganz viele Menschen heute glauben, keinen Weizen mehr zu vertragen. Dabei ist Weizen das zweitälteste Getreide nach Gerste. Schon seit tausenden Jahren essen die Leute Weizen in jeglicher Form. Wenn das wirklich am Weizen liegen würde, dann wären wir heute schon ausgestorben.


Das Problem ist: durch industriell verarbeiteten Weizen und durch die verwendeten Backmittel vertragen viele kein Weizenbrot mehr. In den letzten zehn Jahren Forschung ist man zu dem Ergebnis gekommen, dass Brot dann Unverträglichkeiten auslösen kann, wenn man es ohne Sauerteig und ohne Vorteige backt und den Teig nicht reifen lässt. Deswegen bekommt unser Brot den Prozess und die Zeit, die es braucht, um bekömmlich und lecker zu werden. 


Wirtschaftlich gesehen, ist natürlich ein Risiko da, wenn du gründest. Als ich 2019 meinen Laden in der Adalbertstraße aufgemacht habe, war klar, das Haus wird in drei Jahren abgerissen. In den drei Jahren kann ich machen, was ich will. Ich fand das super, weil ich dachte, wenn das nicht läuft, gehe ich einfach wieder als Bäcker arbeiten. Es war eine kurze Zeitspanne zum Ausprobieren und das hat das Risiko geringgehalten. Ich habe nie erwartet, dass es so laufen würde, wie es jetzt läuft. 


luxuszeit: Nicht nur in München schwärmt man von eurem Brot, dein Laden ist wortwörtlich in aller Munde. Wie erklärst du dir euren Erfolg? 


Julius Brantner: Ich denke, durch alle Lebensmittelskandale, die wir hatten, kaufen die Leute einfach bewusster ein. Sie wollen wissen, woher das kommt, was auf ihrem Teller landet und wie es hergestellt wird. Ich will mir gesünderes Essen leisten. So viele Marketinglügen haben die Menschen verunsichert. Deshalb ist es so wichtig, dass hinter einer Manufaktur eine Person steht, die das Handwerk beherrscht und ihr Produkt wirklich liebt. Und kein anonymer Konzern, der ein angesagtes Konzept umsetzt, aber man gar nicht weiß, wer das eigentlich macht. Mir geht es in erster Linie nicht um Zahlen, mir geht es ums Brot. 


luxuszeit: Isst du überhaupt noch anderes Brot, beispielsweise, wenn du in den Urlaub fährst? 


Julius Brantner: Ich suche einen Urlaub schon danach aus, wo es neue Bäckereikonzepte gibt. Bin ich in Paris, dann suche ich mir die Orte aus, an denen es die besten Crossaints gibt. Wenn du ein Brot, wie wir es kennen, in Italien willst, schwierig, aber da erwarte ich das auch nicht, dann esse ich halt Focaccia. 


luxuszeit: Was sind eure Pläne für die Zukunft? Aktuell hast du zwei Läden in München, sollen es mehr werden? 


Julius Brantner: So wie es jetzt ist, ist es gut. Wenn sich etwas ergibt, dann wachsen wir gerne noch weiter, aber jetzt will ich mich wieder mehr um die Backstube kümmern. Neue Produkte entwickeln ist das, was mir am meisten Spaß macht. Je größer du wirst, umso mehr Organisationsarbeit wird es. Es leidet die Innovationskraft und die Kreativität. 

Julius Brantner | Bäckerei | Manufaktur | Magazin | Laden Nordendstraße München | luxuszeit.com

Mittlerweile hat Julius Brantner zwei Filialen in München



luxuszeit: Letzte Frage, wie findet deine Familie als Traditions-Bäcker dein modernes Konzept?


Julius Brantner: Mein Papa findet mein Brot und auch mein Konzept super. Auch wenn er es mir nicht direkt sagt, bei seinen Kumpels schwärmt er. 


luxuszeit: Danke für das aufschlussreiche Gespräch, lieber Julius!


Lesen Sie im nächsten Teil der Manufaktur-Serie, wie ein Modefotograf und ein Apotheker dazu kamen, richtig guten Gin zu destillieren.

Nach oben