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Berliner Schnauze vs. Michelin-Sterne – Ein Gespräch mit Tim Raue

19. Mai 2022

Tim Raue | Koch | Kulinarik | Magazin | Interview | luxuszeit.com

Tim Raue – ein Name, der nicht mehr nur Kulinarik-Fans ein Begriff sein sollte. Zahlreiche, auch internationale Auszeichnungen und etliche Auftritte in TV-Shows aller Art haben aus dem Mann, der in seiner Kindheit Gewalt und Vernachlässigung erlebt hat, einen der erfolgreichsten Sterne-Köche Deutschlands gemacht. Das asiatisch inspirierte Restaurant „Tim Raue“ in Berlin-Kreuzberg, das mit zwei Michelin-Sternen und fünf schwarzen Hauben ausgezeichnet wurde, belegt in diesem Jahr Platz 26 der „The World’s 50 Best Restaurants“.

von Karin Ziegelasch

Das französisch inspirierte Restaurant-Konzept „Brasserie Colette Tim Raue“ mit Standorten in Berlin, München und Konstanz, das er selbst erarbeitet hat, steht auch unter der kulinarischen Leitung des Spitzenkochs. Seit 2019 ist er außerdem für die „Villa Kellermann“ in Potsdam verantwortlich, die im Besitz von keinem Geringeren als Günther Jauch ist. Mit bisher vier publizierten Werken hat sich der Unternehmer auch in der Buchbranche einen Namen gemacht. Als wäre das nicht schon genug, kann man Tim Raues humorvolle Berliner Schnauze ansonsten vor dem Fernseher genießen. Ob im Duell mit seinem Freund Tim Mälzer bei „Kitchen Impossible“, in der weltweit erfolgreichen Netflix-Serie „Chef’s Table“ (die Raue als einzigem deutschen Koch eine eigene Folge gewidmet hat), oder als Juror in der Kochshow „The Taste“ – der 48-Jährige ist nicht mehr aus der deutschen Medien- und Kochlandschaft wegzudenken. Wir haben mit dem Star-Koch über Erfolg, Motivation und Essgewohnheiten gesprochen.

luxuszeit: Herr Raue, Sie sind einer der erfolgreichsten und medienpräsentesten Köche Deutschlands. Was treibt Sie an, jeden Tag aufs Neue Vollgas zu geben?

Tim Raue: … das ist einfach Teil meiner Lebenseinstellung. Ich musste immer um alles kämpfen. Ich nehme nichts für gegeben und weiß, dass jeder Tag die Chance bereithält, sich zu verbessern.

luxuszeit: Sie eröffnen immer mal wieder neue Restaurants in Ihrem Namen oder entwerfen neue Restaurantkonzepte (wie z.B. das asiatische Restaurant-Konzept HANAMI by Tim Raue auf vier Schiffen der TUI Mein Schiff Flotte). Spiegeln Schnelllebigkeit und das ständige Umsetzen neuer Ideen Ihre Philosophie wider?

Tim Raue: Nein. Mir geht es darum, Konzepte und Restaurants zu betreiben, die langfristig funktionieren. Die Colette Brasserien sind darauf ausgelegt, zeitlos zu sein und Jahrzehnte zu funktionieren. Bei den vier Hanami – By Tim Raue Restaurants auf der TUI Mein Schiff Flotte habe ich die sehr positive Wachstumsentwicklung der Kreuzfahrtschiffe im Blick gehabt und es hat sich wunderbar entwickelt. Es gibt auch Projekte, die temporär begrenzt ausgelegt waren, wie das spices auf Sylt oder das The K in St. Moritz; da wird nach jeder Saison besprochen, wie es weiter geht.

luxuszeit: Ein Projekt von Ihnen ist auch die Villa Kellermann, die Sie gemeinsam mit Günther Jauch betreiben. Was macht dieses Projekt besonders?

Tim Raue: Es passt in mein Portfolio, denn ich wollte unbedingt das kulinarische Konzept des „La Soupe populaire by Tim Raue“ weiterführen. Die Bötzow Brauerei war jedoch temporär auf drei Jahre geplant und wir haben im Anschluss einfach kein geeignetes Objekt gefunden. Günther Jauch war von der Idee sofort angetan, die Küche unserer Großmütter zu realisieren. Er wollte ein Restaurant, das keine Hemmschwelle hat und wo das Essen glücklich und zufrieden macht. Und er strebt eine langfristige Zusammenarbeit an, das konnte ich mir nicht entgehen lassen.

luxuszeit: Werden Sie auch mal von Freunden oder der Familie bekocht und was empfinden Sie als absolutes No-Go, wenn Sie eingeladen sind?

Tim Raue: Ich bin ein einfacher Gast, was mir nicht schmeckt, lasse ich kommentarlos liegen. Ich klugscheißere nicht rum und mache Verbesserungsvorschläge. Allerdings kommt es sehr selten vor, dass ich zum Essen eingeladen werde :-). Wobei ich beim Wein viel zickiger bin, ich trinke wenig, aber dafür ist mein Gaumen sehr anspruchsvoll! Und wehe es gibt keine mundgeblasenen Gläser …

luxuszeit: Wenn Sie ein Lebensmittel wären: Welches wäre es und warum?

Tim Raue: Diese Frage stellt sich mir nicht, ich bin Tim Raue und in -5 kg auch sehr glücklich damit.

luxuszeit: Und welche Lebensmittel haben Sie immer im Kühlschrank?

Tim Raue: Momentan immer Joghurt und Beeren, frischen Salat und wenn ich das lese, merke ich, wie alt ich geworden bin, dass ich so viel von diesem gesunden Zeug esse! Grundsätzlich gehe ich aber lieber essen, ich bin total gerne Gast!

luxuszeit: Verraten Sie uns auch Ihr Geheimrezept, wie Sie am besten entspannen, sprich, wie Sie Ihre persönliche luxuszeit verbringen?

Tim Raue: Offline. Rotwein. Warm. Strand und Meer. Laue Sternennächte.

luxuszeit: Und zu guter Letzt noch eine Frage, die uns natürlich auch brennend interessiert: Was macht für Sie ein Hotel zum Lieblingshotel?

Tim Raue: Das Soneva Fushi auf den Malediven habe ich sehr gerne. Ich habe dort schon zum zweiten Mal für zwei Wochen ein Pop-up Restaurant gemacht. Es ist total lässig im Umgang mit den Gästen. Die Qualität des Food&Beverage Bereichs ist außergewöhnlich, das Frühstück ist das beste, das ich jemals genießen durfte, die maledivische Küche von Chef Sobah genügt höchsten Ansprüchen und ich hatte dort dank eines neapolitanischen Pizzaiolos die beste Pizza meines Lebens. Eine wunderbare Weinkarte brauche ich auch, Zimmer mit reichlich Platz und die Menschen, die dort arbeiten, sind so zurückhaltend freundlich, dass ich nie das Gefühl habe, im Mittelpunkt zu stehen. Als wäre man bei Freunden zu Gast, das ist einfach großartig.