Mut zum Risiko

luxuszeit: Klingt verrückt. Sie und Ihr Mann sind leidenschaftliche Ärzte. Sie kaufen ein Hotel und investieren nicht unerheblich in den Umbau, um Ihren Wunsch, ein Vorsorge-Zentrum nach Ihren Vorstellungen betreiben zu können, wahr werden zu lassen. Warum? 

Sylvia Weingart: Mut, Glück, Eingebung, Erfahrung, um nur einige Faktoren zu nennen, die uns dazu gebracht haben, diesen anfangs steinigen Weg zu gehen. Ursprünglich hatten wir nur ein Vorsorgezentrum mit Ärzten aus verschiedenen Fachrichtungen geplant, die gemeinsam unter einem Dach arbeiten und sich mit den Themenfeldern rund um Vorsorge interdisziplinär beschäftigen, um den Patienten, aus einer ganzheitlichen Betrachtung gesehen, optimaler betreuen zu können.

luxuszeit: Ein guter Plan. Patienten und mögliche Erkrankungen aus einer ganzheitlichen Sichtweise zu betrachten, neudeutsch „Healthness“, setzt sich zunehmend durch. In den Städten liegen interdisziplinär ausgerichtete Ärztehäuser voll im Trend. Das war sicherlich keine einfache Entscheidung, Ihr Vorsorgezentrum in einem Hotel am Berg gelegen und nicht im städtischen, urbanen Umfeld zu verwirklichen ... 

Sylvia Weingart: ... zuerst wollten wir unser Vorsorgezentrum mitten in einer Stadt eröffnen. Doch je intensiver wir uns mit der Thematik beschäftigten, kam bei uns die Fragestellung auf, wie können wir Leute überhaupt zur Vorsorge motivieren? In der Analyse haben wir vier wesentliche Punkte ausgemacht, warum Patienten ihre Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrnehmen: aus Angst, weil sie sich gesund fühlen, weil sie keine Zeit dafür haben und weil sie als „Gesunder“ nicht gerne in eine Arztpraxis oder Klinik gehen ... 

luxuszeit: ... dann kam Ihnen die Idee, ein Hotelprojekt kombiniert mit einem hauseigenen Vorsorgezentrum zu starten ... 

Sylvia Weingart: ... genau. Denn mein Mann und ich waren fest davon überzeugt, dass ein Hotel einen schönen Rahmen bieten kann, um Hemmschwellen in Richtung Vorsorgeuntersuchungen abzubauen oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Ein weiterer Vorteil, den wir erkannt haben: Wir können neben der Diagnostik auch Themen wie Ernährung, Bewegung sowie körperliche Fitness konzeptionell perfekt integrieren, um unseren Gast (und gleichzeitig Patient) zu unterstützen, sich wieder in eine gesündere Richtung zu bewegen. Zufällig, mit etwas Glück, haben wir das damals in die Jahre gekommene alte Forsthaus entdeckt, welches schon länger zum Verkauf stand, weil es aufgrund der Lage kaufmännisch und logistisch gesehen sehr anspruchsvoll zu führen ist. 

luxuszeit: Nachteil, aber für Sie auch Vorteil: Die besondere Lage des ehemals alten Forsthauses mit dem Blick auf das Werdenfelser Gebirge und das pure Naturerlebnis unterstreichen bestimmt den Wunsch Ihrer Gäste, zu entspannen, die innere Ruhe zu finden und Kraft zu tanken. Das war sicherlich ein wesentlicher Grund, das Risiko einzugehen, eine beträchtliche Investition für den Hotelbau plus Vorsorgezentrum mit moderner Medizintechnik zu tätigen? 

Sylvia Weingart: So ganz sicher waren wir uns anfangs nicht, diesen gewagten Schritt zu gehen und Hotelier zu werden und das gleichzeitig mit unserer Leidenschaft für die Medizin zu verbinden. Wir haben die ganze Familie, samt unseren Eltern, zusammengetrommelt, um das Risiko und die Vor- und Nachteile eingehend zu beleuchten. Die Empfehlung der Familie kann ich in einem Wort zusammenfassen: MACHEN – und wir haben es gemacht.

luxuszeit: Der Erfolg gibt Ihnen recht. Allein der Hotelbetrieb zahlt sich aus, auch weil Sie für diesen Bereich einen erfahrenen Hoteldirektor engagiert haben. Dadurch können Sie sich auf das konzentrieren, was Sie am besten können – Ihren Arztberuf ausüben und das nach Ihren Vorstellungen konzipierte Vorsorgezentrum vorantreiben. Ein weiterer Vorteil ist die Zeit, die Sie dadurch für Ihre Patienten gewinnen, die ja auch Gäste sind und sich schon deshalb eine zeitintensivere Betreuung wünschen als sie in einer normalen Praxis bekommen ... 

Sylvia Weingart: ... und diese Wünsche erfülle ich gerne. Bereits im Vorfeld der Untersuchungen führe ich mit dem Gast ein ausführliches Gespräch über seinen Gesundheitszustand oder mögliche Vorerkrankungen, um das Ärzteteam bestens vorbereiten zu können. Auch nehmen wir uns während der Untersuchungen und in der Nachbesprechung ausreichend Zeit.

luxuszeit: Welche wesentlichen medizinischen Kompetenzen haben Sie in Ihrem Vorsorgezentrum gebündelt? 

Sylvia Weingart: Im Ärzteteam haben wir Internisten, Kardiologen, Gastroenterologen, Urologen sowie einen Dermatologen, einen Orthopäden und eine Neurochirurgin, die sich auf Rückenerkrankungen spezialisiert hat und darüber hinaus mit Akupunktur, insbesondere bei Beschwerden im Rückenbereich und bei stressbedingten Erkrankungen, gute Erfolge erzielt. Das geht zwar schon eher in Richtung Therapie, aber sie ist auch diagnostisch tätig. Wir bieten darüber hinaus ein Augenscreening an, wobei wir hier für die Diagnose den Augenarzt über Telemedizin einbinden. Uns fehlt vor Ort im Team nur noch ein Gynäkologe. Doch allein aufgrund der Apparaturen, die benötigt werden, kooperieren wir in dieser Disziplin mit Gynäkologen in Garmisch-Partenkirchen, die – wenn gewünscht – die gynäkologischen Untersuchungen in ihrer Praxis durchführen.

luxuszeit: Wie sieht ein typischer Ablauf für einen Gast aus, der eines Ihrer Vorsorge-Pakete, wie beispielsweise das 50+ gebucht hat? 

Sylvia Weingart: Ausgangspunkt ist eine umfassende Aufnahmebesprechung. Die führe ich durch. Hier erkläre ich als Bindeglied zu unseren weiteren Fachärzten den Ablauf, die Art der Untersuchungen und erfrage gegebenenfalls aktuelle Beschwerden und Befindlichkeiten.Folgend starten wir beim Gast mit der kardiologischen Untersuchung, die ungefähr eine Stunde dauert. Es wird ein Ultraschall vom Herzen sowie von den Halsgefäßen gemacht. Dann wird Blut abgenommen und EKGs in Ruhe und unter Belastung auf einem Rad oder Laufband durchgeführt. Bei entsprechenden Beschwerden wird auch noch ein Langzeit-EKG und/oder ein Langzeit-Blutdruck-Messgerät angehängt. Wenn keine Langzeitmessungen vorgenommen werden müssen, kann der Gast die Zeit im Spa verbringen – Schwimmen, Saunieren, oder einfach nur entspannen ... 

luxuszeit: ... und dann? 

Sylvia Weingart: Vor dem Abendessen wird vom Dermatologen in 15 bis 20 Minuten ein Hautkrebs-Screening vorgenommen. Entsprechende Hautveränderungen werden digital aufgezeichnet und gespeichert, um bei Folgeuntersuchungen Vergleiche zu ermöglichen. Am nächsten Tag startet die Vorbereitung für die Darmspiegelung mit unserem speziellen Frühstücks-Cocktail. Den Nachmittag verbringt der Gast im Regelfall auf dem Zimmer, Balkon oder im Garten. 

luxuszeit: ... dann übernimmt Ihr Mann, der Gastroenterologe im Team? Sylvia Weingart: Ja. Er führt in Dämmerschlaf-Narkose die Darmspiegelung beim Gast durch. Falls notwendig, werden auch feingewebliche Proben entnommen. Anschließend werden mit dem Ultraschall die Bauchorgane geschallt und die Ergebnisse ausführlich besprochen. Je nach Wunsch des Gastes werden die urologischen Untersuchungen vor oder nach der Darmspiegelung absolviert. Das Abschlussgespräch übernehme ich. Der Gast bekommt eine umfassende Beurteilung der Ergebnisse. Ist alles im grünen Bereich, empfehle ich, dass die Vorsorgeuntersuchungen in zwei Jahren wiederholt werden sollten. 

luxuszeit: Sie hatten doch sicherlich auch schon Gäste, bei denen Sie eine ernsthafte Erkrankung diagnostiziert haben? 

Sylvia Weingart: So ein Fall ist natürlich nicht schön und wir hätten es uns für beide Seiten anders gewünscht. Wichtig ist, dass wir uns die Zeit nehmen, um in Ruhe die Konsequenzen und möglichen Therapieoptionen durchzusprechen mit dem Anspruch, eine bestmögliche Betreuung anzubieten. Je nach Befund können wir auch in enger Zusammenarbeit mit dem ortsansässigen Klinikum beispielsweise eine erweiterte Bildgebung durchführen. Darüber hinaus nehmen wir den Gast an die Hand und kümmern uns auch nach seinem Aufenthalt darum, dass aus medizinischer Sicht alles richtig läuft. 

luxuszeit: Im Herzen sind Sie und Ihr Mann Ärzte geblieben. Für einen Hotelier hört die persönliche Betreuung seines Gastes auf, wenn er am Tag der Abreise das Hotel verlässt oder der Fahrdienst ihn am Flughafen abgesetzt hat ... 

Sylvia Weingart: ... eigentlich wollten wir ja auch nicht ins Hotelgewerbe einsteigen. Doch heute sind wir davon überzeugt: Man kann ein Hotel erfolgreich betreiben und gleichzeitig den Arztberuf ausüben, wenn das Beste aus beiden Welten kombiniert wird.